Die letzte Bildröhre ....

Von unserem Redakteur (Aachener-Nachrichten) Heiner Hautermans

Der LCD-Hersteller LG Philips LCD hat seinen Nettogewinn im letzten Jahr mehr als verdreifachen können, auf stattliche 866 Millionen US-Dollar. Die Nachricht ist in Aachen mit Bitterkeit aufgenommen worden.

Das Bildröhrenwerk auf Rothe Erde mit ehemals 940 Arbeitnehmern, zugehörig zu einem anderen LG-Philips-Gemeinschaftsunternehmen, der LG Philips Displays, schließt nämlich zum Monatsende seine Pforten. Betriebsratschef Ricky Dujkovic hat die Nachricht von der Gewinnexplosion an den Schwarzen Brettern aushängen lassen, was noch grösseres Unverständnis unter den Betroffenen nach sich gezogen hat: die Leute können es einfach nicht begreifen. Schließlich habe man im Aachener Werk immer Gewinne eingefahren, im Gegensatz zu einem Schwesterbetrieb in Frankreich.

Dujkovic: "Sind wir ans Messer geliefert worden?" Mehr denn je ist Ljubomir Dujkovic überzeugt davon, dass es letztlich eine politische Entscheidung gewesen sei, den Standort Aachen zu schliessen. In Frankreich hätten nämlich staatliche Gelder zurückgezahlt werden müssen, wäre die Schliessung drei oder vier Mal so teuer geworden wie die in Aachen.

Offenbar sind wir ans Messer geliefert worden. LG Philips Displays steht nach einem Bericht der Financial Times vor dem Ende. Der niederländische Elektronikkonzern hat eine Wertberichtigung von 800 Millionen Euro vorgenommen, darunter 300 Millionen für die Schliessung von Werken. Das Joint Venture zwischen Philips und LG Electronics wird Opfer der technischen Revolution. Während der Markt für Bildröhren immer mehr zusammenbricht, erzielt der für LCD-Flachbildschirme auf der Basis von Flüssigkeitskristallen immer neue Umsatzrekorde. So konnte der Marktfüchrer LG Philips LCD im letzten Jahr einen Zuwachs von 71 Prozent auf 5,3 Milliarden Dollar erzielen. Ein Aufschwung, an dem auch die Aachener Arbeitnehmervertreter gerne teilgenommen hätten und mehrfach ihre Mitarbeit an einer Produktionsumstellung angeboten hatten. Die Konzernzentrale in Hongkong hat jedoch anders entschieden und die Beendigung der Produktion der grossvolumigen CRT-Bildröhren zum 30. April verfügt. Für diesen Freitag wird Ricky noch einmal eine Betriebsversammlung einberufen, die letzte: "Ich will die Leute noch einmal zusammen haben".Dann soll auch die letzte Röhre vom Band genommen werden, die als fertiger Fernseher für einen guten Zweck, beispielsweise kranken Kindern, zur Verfügung gestellt werden soll. "Ich werde jedem einzeln Lebewohl sagen".

Von den ehemals 940 Beschäftigten nehmen 140 eine Vorruhestandsregelung in Anspruch; rund 150 sind bislang in andere Arbeitsplätze vermittelt worden, etwa beim benachbarten Glühlampenwerk oder dem Verpackungshersteller SIG Combibloc.Die verbleibenden 650 sind die Sorgenkinder des 53-Jährigen, weil viele von ihnen keinen Berufsabschluss haben, nur innerbetrieblich ausgebildet wurden. Sie sollen jetzt über Qualifizierungsmassnahmen ihre Chancen auf eine neue Stelle verbessern. Ljubomir Dujkovic selbst habe man bei der Agentur für Arbeit keine grosse Hoffnung gemacht: "Ich bin zu alt".